Kleines olympisches Ringerlexikon

Wilfried Dietrich

Der Ringkampf gehört zu den ältesten Formen des Ringkampfsportes, der bei den Olympischen Spielen der Antike zum Fünfkampf gehörte. Eine Einteilung in verschiedene Gewichtsklassen gab es nicht, die Ringer kämpften damals nackt und auch das Regelwerk war damals weitaus leichter zu verstehen; wer es schaffte, seinen Kontrahenten dreimal zu Boden zu werfen, wurde zum Sieger gekürt und genoss damals hohes Ansehen. Mehr noch – wenn im Lauf-, oder Sprungwettkämpfen Gleichstand erzielt wurde, dann entschied nicht das Los, sondern die Beteiligten kämpften das Endergebnis aus.

Bei den Olympischen Spielen der Neuzeit gehörte Ringen von Anfang an zum Programm. Carl Schumann aus Berlin war 1896 in Athen der erste Olympiasieger im Ringen. Mit nur 1,63 m war er der kleinste Ringer, der die ‚Offene Klasse‘ für sich entschied. Gegen Georgios Tsitas (GRE) gewann Schumann damals nach 65-minütigem Kampf. Im Turnen holte Schumann ebenfalls Gold, im Gewichtheben Bronze. Carl Schumann gehörte 1896 zu den vielseitigsten Olympioniken und war einer der ersten Sportler, der 2008 in die deutsche ‚Hall of Fame‘ aufgenommen wurde. Die ersten Olympischen Spiele wurden 1896 – also vor nunmehr 120 Jahren in Athen ausgetragen, 1936 – also vor genau 80 Jahren war Berlin Gastgeber der XI. Olympischen Spiele. Im Freistil holte Wolfgang Ehrl (66 kg) in Berlin die Silbermedaille, während Johannes Herbert (56 kg) und Erich Siebert (87 kg) Bronzemedaillen gewannen. Im griechisch-römischen Stil erreichten Fritz Schäfer (72 kg) und Ludwig Schweickert (79 kg) Silberränge, Bronzemedaillen gingen an Jakob Brendel (56 kg) und Kurt Hornfischer (über 87 kg). Der heute wohl bekannteste Ringer aus dieser Zeit, Werner Seelenbinder erzielte im Halbschwergewicht (damals 87 kg) den 4. Platz.

1972 war München Austragungsort der XX. Olympischen Spiele. Hans-Jürgen Veil (57 kg/BRD), sowie Heinz-Helmut Wehling (62 kg/DDR) gewannen im griechisch-römischen Stil Silbermedaillen, Adolf Seger (78 kg/BRD) holte im Weltergewicht Bronze. Unvergessen der spektakuläre Wurf von Wilfried Dietrich gegen den US-Schwergewichtler Chris Taylor. Dietrich wurde im griechisch-römischen Stil Vierter-, im freien Ringkampf Fünfter.

Wilfried Dietrich
Foto: Wilfried Dietrich beim Wurf gegen den US-Schwergewichtler Chris Taylor.

Auch 1984 sorgte ein deutscher Ringer bei den Olympischen Spielen in Los Angeles (USA) für Aufsehen, als Pasquale Passarelli im Finale des 57 kg-Limits gegen den Japaner Masaki Eto über 85 Sekunden in der Ringerbrücke die Schulterniederlage verhinderte, damit seinen Punktvorsprung über die Kampfzeit rettete und Olympiasieger wurde. Auch Passarelli wurde mit dieser Leistung zu einer der deutschen Ringerlegenden.

Einen handfesten Skandal gab bei den XXVI. Olympischen Sommerspielen 2000 in Sidney (AUS), als Alexander Leipold nach seinem Triumph, sein Olympiagold auf Grund einer positiven Dopingprobe wieder aberkannt wurde. Nach jahrelangen Gerichtsverfahren, in dem der Sachverhalt nie gänzlich geklärt werden konnte, darf er sich ‚Gewinner des olympischen Turnieres‘ nennen. Die Medaille bekam Alexander Leipold allerdings nicht zurück.

Die letzten olympischen Medaillen nach der Widervereinigung der beiden deutschen Verbände gewannen Heiko Balz (Silber 1992) und Arawat Sabejew (Bronze 1996) im freien Stil, sowie Maik Bullmann (Olympiasieger 1992, Bronze 1996), Rifat Yildiz (Silber 1992), Thomas Zander (Silber 1996) und Mirko Englich (Silber 2008) im griechisch-römischen Ringkampf.

Seit 2004 sind auch die Frauen auf olympischen Ringermatten aktiv, in Athen stießen vor 12 Jahren die Damen die Türe in vier Gewichtsklassen zur olympischen Bühne auf und kämpften erstmals um olympisches Edelmetall. In Rio 2016 wurde die Anzahl der Kategorien im Frauenbereich auf 6 Gewichtsklassen angehoben, während die beiden Männerstilarten (Freistil und griechisch-römischer Stil) je eine Kategorie abgeben mussten und nunmehr ebenfalls in 6 Gewichtsklassen um die olympischen Medaillen streiten. Olympisches Edelmetall konnte bislang von keiner deutschen Ringerin erkämpft werden.

Die Chancen auf eine Medaille bei den deutschen Ringerfrauen steigen 2016 jedoch deutlich an, denn der Deutsche Ringer- Bund ist mit 4 Athletinnen in Rio vertreten. Vor allem Aline Focken (69 kg/KSV Krefeld), die 2014 in Taschkent (UZB) Weltmeisterin wurde und sich 2015 bei den Welttitelkämpfen in Las Vegas (USA) mit Bronze für die Olympischen Spiele in Rio 2016 qualifizierte, werden große Chancen auf einen Podiumsplatz zugesprochen.

Bei den männlichen Mitstreitern im deutschen Team gilt vor allem Frank Stäbler als Aushängeschild, der seit 2011 zur Weltspitze gehört, 2012 in London mit Platz 5 knapp an Bronze vorbei schrammte. 2015 gelang dem Ringer vom TSV Musberg bei den Weltmeisterschaften in Las Vegas (USA) der Titelgewinn im Limit bis 66 kg. Nun greift Stäbler in Rio nach einer olympischen Medaille.

Das deutsche Team für Rio 2016

Frauen:

  • 53 kg Nina Hemmer (AC Ückerath)
  • 59 kg Luisa Niemesch (SV Weingarten)
  • 69 kg Aline Focken (KSV Krefeld)
  • 75 kg Maria Selmaier (KSC Motor Jena)

Männer / griechisch-römischer Stil:

  • 66 kg Frank Stäbler (TSV Musberg)
  • 85 kg Denis Kudla (VfK Schifferstadt)
  • 130 kg Eduard Popp (VfL Neckargartach)

Männer / Freistil

  • Hier konnte sich kein deutscher Ringer für Rio 2016 qualifizieren.
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